Plenarvorträge

Plenarvortrag Kristina Kallas

Donnerstag, 28.09.2023: 14:30-15:30 Uhr, Aula

Ganz besonders freuen wir uns, die amtierende Bildungs- und Wissenschaftsministerin der Republik Estland als eine der Plenarvortragenden auf dem Freiburger DGFF-Kongress begrüßen zu dürfen. Dr. Kristina Kallas wird am Donnerstag, den 28. September 2023, einen anregenden Plenarvortrag zum Thema "Identity and language conflict in Estonia: can education solve all minority language problems?" halten.

Kristina Kallas is a research fellow on multilingual education at Tartu University Narva College and a lecturer on ethnopolitics and migration at the Faculty of Political Science at the University of Tartu. She has a PhD in political science from the University of Tartu and a master’s degree in modern history from the Central European University in Budapest. Between 2015 and 2019 she was the director of the Tartu University Narva College – a multilingual minority college at the border town with Russia.

Her research focuses on the question of the Russian-speaking population outside of the Russian Federation after the collapse of the USSR, mainly in Estonia and Latvia. She has researched the questions of securitization of the minority, the issues of identity and belonging, and language and education in post-USSR states of Central and Eastern Europe. She works as an expert consultant for OSCE High Commissioner on National Minorities for the questions of education and integration in Ukraine, Moldova, Kyrgyzstan and Georgia. Since April 2023 she is the Estonian Minister of Education and Research.

Dr. Kristina Kallas (Bildungs- und Wissenschaftsministerin der Republik Estland)

© Renee Altrov

"Identity and language conflict in Estonia: can education solve all minority language problems?"

Estonia, like many other European countries, faces the challenge of the linguistic diversity of its population. This challenge is most acute in the education system, where the multilingualism of children meets the traditional monolingualism of the curriculum. The problem of minority languages in Estonia is further complicated by the securing of the Russian language in the current geopolitical reality of war in Ukraine. How to deal with language and identity conflicts in an educational system operating in a security-based political reality is the question I will pose in this presentation.

 

Estland steht wie viele andere europäische Länder vor der Herausforderung der sprachlichen Vielfalt seiner Bevölkerung. Am akutesten ist diese Herausforderung im Bildungssystem, wo die Mehrsprachigkeit der Kinder auf die traditionelle Einsprachigkeit der Lehrpläne trifft. Das Problem der Minderheitensprachen in Estland wird durch die Sicherstellung der russischen Sprache in der aktuellen geopolitischen Realität des Krieges in der Ukraine noch verkompliziert. Wie man mit Sprach- und Identitätskonflikten in einem Bildungssystem umgeht, das sich in einer sicherheitsbezogenen politischen Realität bewegt, ist die Frage, die ich in diesem Vortrag stellen werde.

Plenarvortrag Prof. Dr. Thomas Studer

Freitag, 29.09.2023: 9:00-10:30 Uhr, Aula

Wir freuen uns, Ihnen einen unserer hochkarätigen Referenten für den bevorstehenden Kongress vorstellen zu dürfen. Am Freitag, 29.09.2023, wird Prof. Dr. Thomas Studer einen spannenden Plenarvortrag zum Thema „Fremdsprachliche Kompetenzen im Zeichen plurilingualer Ansätze“ halten. 

Thomas Studer ist ordentlicher Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache am Departement für Mehrsprachigkeitsforschung und Fremdsprachendidaktik der Universität Freiburg/Fribourg (Schweiz) und zurzeit Direktor des Freiburger Instituts für Mehrsprachigkeit, dem auch das wissenschaftliche Kompetenzzentrum für Mehrsprachigkeit der Schweiz angegliedert ist. Seine Arbeitsbereiche und Forschungsinteressen umfassen u.a. die korpusbasierte Spracherwerbsforschung, die Fremdsprachen- und Mehrsprachigkeitsdidaktik und das Testen und Prüfen von Sprachkompetenzen.

Prof. Dr. Thomas Studer (Univ. Fribourg/Freiburg, Schweiz)

 

„Fremdsprachliche Kompetenzen im Zeichen plurilingualer Ansätze“

Mehrsprachigkeit ist ein zentrales Ziel europäischer und nationaler Sprachenpolitik. Im Bildungswesen der (auch) deutschsprachigen Länder ist Mehrsprachigkeit einerseits im Sinne von Zielevorgaben verankert und stellt andererseits eine wesentliche Rahmen- und Ausgangsbedingung für das Lernen dar. Vor diesem Hintergrund ist schulisches Sprachenlehren und -lernen von einer ganzen Reihe von Ambivalenzen geprägt, darunter (s. etwa, mit unterschiedlichen Prämissen und Akzenten, Schädlich 2020, Jaspers 2022, Kramsch & Zhang 2018): Fremdsprachenunterricht soll zur Ausbildung mehrsprachiger Kompetenzen beitragen, ist aber (noch?) weitgehend einzelsprachlich eingerichtet. Mehrsprachigkeit als Ziel entbindet Lehrpersonen nicht von der Aufgabe, eine einzelsprachliche Standardvarietät zu vermitteln, um den Lernenden den Zugang zu höherer Bildung und zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Spannungen zwischen der Vermittlung von Sprache als Instrument der Kommunikation und des Wissenserwerbs und als Ausdruck kultureller und symbolischer Macht begleiten viele Lehrpersonen.

In seinem Beitrag möchte Thomas Studer ausgewählte Studien (nicht nur) aus dem heterogenen bzw. selbst pluralen Bereich der Mehrsprachigkeitsdidaktik zur Diskussion stellen, die geeignet sein könnten, diese Ambivalenzen besser zu verstehen, auszuhalten und in der Unterrichtspraxis mit ihnen – statt gegen sie – zu arbeiten: i) Ein abgeschlossenes Projekt, in dem Schüler*innen bei der Bearbeitung mehrsprachigkeitsdidaktischer Aufgaben gefilmt und Einschätzungen dieser Aktivitäten von Fachdidaktiker*innen und Lehrpersonen eingeholt wurden (Peyer et al. 2022), ii) ein laufendes Lernerkorpus-Projekt, in dem sich mehrsprachige Repertoires anhand von Lernertexten beobachten lassen (Karges et al. 2022) sowie iii) eine kleine, unveröffentlichte Umfrage unter angehenden Lehrpersonen zu mehrsprachigen Praktiken in der Schule.

Jaspers, Jürgen (2022). Linguistic dilemmas and chronic ambivalence in the classroom. Journal of Multilingual and Multicultural Development 43(4), 281-294. doi.org/10.1080/01434632.2020.1733586

Karges, Katharina, Studer, Thomas & Hicks, Nina (2022). Lernersprache, Aufgabe und Modalität: Beobachtungen zu Texten aus dem Schweizer Lernerkorpus SWIKO. ZGL 50(1), 104–130. doi.org/10.1515/zgl-2022-2050

Kramsch, Claire & Zhang, Lihua (2018). The Multilingual Instructor. What foreign language teachers say about their experience and why it matters. Oxford.

Peyer, Elisabeth, Barras, Malgorzata & Lüthi, Gabriela (2022). Including home languages in the classroom: a videographic study on challenges and possibilities of multilingual pedagogy. International Journal of Multilingualism 19(1), 162–177. doi.org/10.1080/14790718.2020.1736080

Schädlich, Birgit (2020). Einleitung. In: Schädlich, Birgit (Hrsg.), Perspektiven auf Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht – Regards croisés sur le plurilinguisme et l'apprentissage des langues. Berlin: Metzler, 1-19.